Eltern

Vater

Mutter

Emma Heckmann, die Mutter von Horst, 1950

Mein Vater, Heinrich Heckmann, wurde 1897 geboren und wuchs mit 11 Geschwistern in Mülheim-Winkhausen auf. Nach der Schule lernte er bei der Firma Thyssen in Mülheim den Beruf des Drehers, und als solcher arbeitete er auch dort. Er nahm am 1. Weltkrieg von 1914 - 1918 (alle vier Jahre) teil, meistens an der Front, wurde bei Verdun und später noch an der Somme verwundet. Als er zurückkam, herrschte große Arbeitslosigkeit vor, sodass er auch bei Thyssen keine Arbeit mehr fand.

Wahrscheinlich war das der Grund für den Eintritt bei den  Syndikalisten, einer ziemlich links ausgerichteten Gewerkschaftsgruppe, die insbesondere nach dem 1. Weltkrieg großen Zulauf hatte. – Der syndikalistische (vergessene) Widerstand ist kaum erforscht. – Die Zugehörigkeit war auf wenige Jahre beschränkt. Später ist er eher unpolitisch geworden und war Atheist.

 

 

Meine Mutter, Emma Heckmann, wurde 1898 in Mülheim-Holthausen geboren. Sie wuchs mit einer Schwester und zwei Brüdern in einem auf der Anhöhe zur Walkmühle liegenden Kotten auf. Für Mädchen waren zu dieser Zeit die Möglichkeiten, einen Beruf zu erlernen, sehr gering.  So betätigte sie sich in dem Haushalt eines in der Nähe liegenden Bauern als Hausgehilfin und war eine billige Kraft für eine Vielzahl von teilweise niederen Arbeiten.

Während der Inflation  verloren die Eltern meiner Mutter ihr Eigentum und mussten in eine Mietwohnung in Mülheim-Heißen (Hingbergstaße) ziehen. In der  Nachbarschaft lernten sich dann meine Eltern kennen und heirateten auch sehr bald. Sie bezogen eine in der Nähe liegende Neubauwohnung  und wohnten dort – wenn man von einer längeren kriegsbedingten  Unterbrechungen absieht – bis an ihr Lebensende.

Aber der Lebensunterhalt musste ja bestritten werden. So machte er sich als ambulanter Gewerbetreibender in Kurzwaren und Textilien – früher nannte man diesen Beruf "Hausierer" – selbständig. Hierbei handelt es sich um eine Beschäftigung, mit der man als Kind in der Schulklasse nicht unbedingt "angeben" konnte: Er machte aus Schrott brauchbare Handelsware und hielt sich mit der Reparatur von Fahrrädern mehr oder weniger gut über Wasser. Bedingt durch An- und Verkauf hatte er während der Naziherrschaft auch mit jüdischen Grossisten zu tun, die ihn zu Hause besuchten und Bestellungen entgegennahmen. Mein Vater trat zudem nicht in die NSDAP ein und hing während Großveranstaltungen statt der geforderten Hakenkreuzfahne die schwarz-weiß-rote Fahne aus dem Fenster, die Fahne von Krieger-und Veteranenverbänden (Flaggenstreik der Weimarer Republik). All das rief unseren Blockwart auf den Plan, der ihm regelmäßig braune Schulungsbriefe in die Hand drückte.

Unmittelbar zu Beginn des Zweiten Weltkrieges ist mein Vater ebenfalls eingezogen worden, und zwar als Landesschütze. Das waren vornehmlich Soldaten zwischen 45 und 60 Jahren, die bereits im Ersten Weltkrieg gedient hatten. Landesschützen im Landsturm hatten vor allem Sicherungs- und Wachaufgaben sowie Kriegsgefangenenbewachung in den rückwärtigen bzw. Besatzungs-Gebieten und in der Heimat. Mein Vater übernahm dabei in der Lüneburger Heide bis zum Kriegsende mehrere  Dorf-Kommandos. Seine Gefangenen genossen bei ihm so manche Vorteile, was ihm wiederum zum Nachteil gereichte, so dass er öfter in den "Bau" kam – so wurden die (meist Einzel-)Arrestzellen genannt.

Nach kurzer Internierung kam er bei Kriegsende im Juni 1945 wieder nach Mülheim und arbeitete nach längeren Unterbrechungen weiter bis zu seinem Tode 1964 als ambulanter Gewerbetreibender.

 

Nach ein paar Jahren schloss sich meine Mutter – wahrscheinlich ohne politische Beweggründe und noch vor 1933 – dem in der Nachbarschaft befindlichen evangelischen Frauenverein an. Die Nationalsozialisten versuchten da bereits, alle bestehenden Vereine mit ihrem Gedankengut zu durchsetzen und gleichzuschalten. Davon blieben auch die großen Kirchen nicht verschont. So entstand in der protestantischen Kirche eine Strömung, die sich Deutsche Christen nannten und durch die massive Unterstützung des NS-Staates immer mehr an Einfluss gewannen. Sie waren rassistisch,  antisemitisch und am Führerprinzip orientiert und sahen beispielsweise in Hitler  einen von Gott bzw. der Vorsehung gesandten Erlöser.

Die Bekennenden Christen (BK ab 1934) dagegen, zu der auch meine Mutter gehörte, hielten am alten Glauben von Martin Luther fest und bildeten eine innerkirchliche Opposition, die stets im Fokus der Nationalsozialisten stand.

Sie bestand sehr energisch darauf, dass ich regelmäßig den Kindergottesdienst und die Jungschar im CVJM der Gemeinde "Gnadenkirche Heißen" besuchte, obwohl ich ja auch Mitglied der Deutschen Jugend (DJ) war. Schließlich wurde ich in der Schule eindringlich von den Lehrern darauf hingewiesen, meine Eltern aufzufordern, nicht bei Juden zu kaufen. Meine Mutter tat es dennoch, bis die Juden vollständig von der Bildfläche verschwunden waren; das zeigt mir heute ihre Haltung als überzeugte Protestantin und Gegnerin des Nationalsozialismus. Während des Krieges fanden bombengeschädigte Nachbarn oft bei uns Unterschlupf.

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