Impferlebnisse

… als 16 Jähriger beim Reichsarbeitsdienst 1944     

Wenn ich heute das Wort „Impfen“ höre,  werde ich jedesmal daran erinnert, wie  es mir ergangen war, als ich im Reichs- Arbeitsdienst (RAD) 1944 geimpft wurde. Wir – alle aus dem Jahrgang 1928 und damit 16 Jahre alt – waren gerade eingekleidet, als es am anderen Morgen hieß:

„Heraustreten zum Impfen!“

Es war bekannt, dass  Impfen zum Arbeits- und  Wehrdienst  genauso dazugehörte wie die Erbsensuppe zur Gullaschkanone. Das Impfspektrum war umfangreich und zielte gegen: Tuberkulose, Tetanus, Typhus, Malaria,  Cholera und noch vieles mehr … man munkelte sogar gegen das Ausschalten von angstbewirkende Gehirnzellen. Wogegen tatsächlich geimpft wurde, konnte niemand genau sagen.

Es war bitterkalt, und das Barackengelände lag bis auf die freigeschaufelten Wege und dem Appellplatz in tiefem Schnee. Das Impf-Spektakel fand im Freien statt. Der Oberarbeitsarzt hatte einen Tisch aufbauen lassen, worauf die Fläschchen mit dem Impfstoff und und einige Spritzen lagen. – Wenn ich mir das heute so überlege, kann ich nicht mit Bestimmtheit sagen, ob die Nadeln nur für einen Einmalgebrauch bestimmt waren und danach oder später desinfiziert wurden. Zu  DER  Zeit machte man sich sowieso keine Gedanken über Nebenwirkungen und Beipackzettel. 

Wie dem auch sei, bei bitterer Kälte wurde der Oberkörper freigemacht. Die Abteilung stand bereit und los ging’s in Gänseformation mit Trupp 1. Als  körperlich Größter kam ich auch als Erster an die Reihe. Der Einstichbereich auf der Brust wurde mit einem Wattebausch im Schnellverfahren desinfiziert, und was sich dann ereignete, erfolgte ebenfalls mit Lichtgeschwindigkeit. Der „Herrgott in Weiß“, unter dem weißen Kittel die braune Arbeitsdienstuniform, näherte sich mit der Spritze und donnerte sie mir hinein in die Brust.

Eigentlich hätte die Prozedur damit für mich abgeschlossen sein müssen, wenn nicht der eifrige Herr Oberarbeitsarzt so schnell mit der nächsten zu Stelle gewesen wäre und ohne aufzuschauen mir eine 2. Impfung verabreichte. 

Ich war dabei nicht im geringsten argwöhnisch, denn es hatte ja die Runde gemacht, dass mehrere Krankheitserreger aufs Korn, in unserem Fall in die Spritze genommen werden. Die Frage war nur: „In welchem Zeitraum?“ Aber wer durfte damals einem Vorgesetzten schon eine unangenehme Frage stellen? 

Und so nahmen die Geschehnisse ihren Lauf. Bei Einstich 3 und 4 musste ich die Zähne doch schließlich zusammenbeißen. Leichte Bedenken kamen bei mir auf. Ob das alles so seine Richtigkeit hat?

 Im 1. Glied kippte bereits mein Stubennachbar Dieter aus Erfurt um und musste von einem Sanni betreut werden. Als die fünfte angesetzt wurde, nahm ich allen Mut zusammen und stotterte die Frage heraus,  wieviel „ Pixe“ ich denn noch zu erwarten hätte. Der Arzt schaute mich verblüfft an und fragte mich hinterhältig, was ich damit meinte. 

Als ich ihm mit ängstlicher Miene etwas von einer 5. „Eingabe“ vorstammelte, stauchte er mich zusammen mit Ausdrücken, die man im Zivilleben als schwere Beleidigungen empfunden hätte und damit vor Gericht ziehen würde, zumal heute. Er dagegen zog die noch volle Spritze heraus schrie tobend nach einer Trage und ließ mich schnurstracks auf die Krankenstube verfrachten. Strikte Bettruhe wurde angesagt.

Meine Brust hatte mittlerweile weibliche Formen angenommen. Es wurde eifrig telefoniert und Ärzte von anderen Einheiten angefordert. Ich war ein  medizinischer Fall geworden und lag einige Wochen dienstunfähig im Revier, was mir allerdings die Zeit des Arbeitsdienst-Drills verkürzte.

Schaden habe ich nicht davongetragen. Immerhin bin ich mit meinen 93 Jahren den Umständen entsprechend noch einigermaßen fit und genieße jeden neuen Tag.

Am 23.03.2021 werde ich gegen Corona geimpft. Mein Fazit für meine morgige Corona-Impfung:

 Ich werde unbedingt darauf achten, dass ich nur e i n e Dosis verabreicht bekomme. 

Allerdings dürfte sich dieses Problem aufgrund der Impfstoffknappheit von selbst erledigen. 

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