Resümee: Eva Timm

Ich heiße Eva Timm und bin am 04. September 1926 in Berlin geboren. 92 Jahre Leben – es ist so viel geschehen – wie sehr hat sich die Welt verändert! Eine kurze Zeit Frieden zwischen zwei Weltkriegen – dann 12 Jahre 1000-jähriges Reich – zuerst mit Aufbau, dann mit Hetze, Zerstörung und unendlichem Leid. Dann, 1945, der Friede, mit Entbehrungen und Hunger – aber die Hoffnung auf ein besseres Leben gab die Kraft zum Wiederaufbau. Und nach einigen Jahren war aus Deutschland wieder ein Land geworden, um das uns viele in der Welt beneiden.

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Nachkriegszeit und Neubeginn

Hamstern auf den Bauernhöfen der Umgebung von Lauenburg, der Schwarzmarkt, auf dem Zigaretten und alles Mögliche getauscht wurde (z.B. Friseurscheren), das fürchterliche Maisbrot … das sind die Stichworte, die Eva Timm mit der unmittelbaren Nachkriegszeit verbindet. Man war froh, dass der Krieg vorbei war. Und was gibt es Schöneres für eine 19-Jährige als Tanzen! So traf man sich in der Schifferbörse …

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Kriegszeit

Ausgebombt 1939 brach der Krieg aus und man hatte sich an Verdunklung, Lebensmittelkarten und Bezugsscheine zu gewöhnen. Und als sich in den ersten Jahre die Sondermeldungen über die deutschen Siege überschlugen, dachte man, dass das Spiel bald vorbei sein würde.  In Berlin konnte das kulturelle Leben nachmittags derweil erhalten bleiben: ob  Oper, Operette, Theater, Revuefilme – das Volk musste bei …

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Ausgrenzung, Boykott und Pogrome gegen Juden

Hansi Frost

Damals hatte Frau Timm einen kleinen jüdischen blonden Freund, der jünger als sie war. Der fing sie öfter ab, wenn sie aus der Schule kam. Seine Eltern hatten um die Ecke herum ein kleines Zigarettengeschäft, in dem Eva für ihren Vati R6 und für ihre Mutter Muratti Kork – die berühmte Berliner Zigarettenmarke schlechthin! – kaufte. 

Eines Tages wechselte die Inhaberschrift in: „Erna Sara Frost“, und zwar in großen Blockbuchstaben geschrieben. Bis dahin wusste niemand, dass es ein jüdisches Geschäft war.

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Erziehung

Jungmädel

Selbstverständlich war sie auch Jungmädel, obwohl ihre Mutter gegenüber der Hitlerjugend das Wort „scheußlich“ in den Mund nahm. Sie fand alles „scheußlich“: die Uniform der Mädchen, diese blauen Röcke kombiniert mit weißer oder grauer Bluse, diese Berchtesgadener Strickjäckchen, schwarz mit rot und grün, und diese gelb-braune Kletterweste (hellbraune Velveton Jacke) – alles scheußlich! 

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Schulzeit

Für mich begann die Volksschule 1933. Es waren 42 Kinder in der Klasse. Ich hatte fünf jüdische Mitschülerinnen in der Klasse, meist waren sie die intelligenteren. An Diskriminierungen kann ich mich nicht erinnern. Das schönste Mädchen in meiner Klasse war Halbjüdin und hieß Ellen Rothschild; sie wurde nicht ‚abgeholt‘. – Noch heute weiß sie alle Namen: Dieta Elden, Gertrude Breslauer, …

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Kindheit

Spiele drinnen

Eva Timm wuchs wohl behütet auf. Lebhaft erinnert sie sich an gemeinschaftliche Spiele in der Familie. ‚Schwarzer Peter‘, ‚Mensch ärgere Dich nicht’, ‚Dame‘ und ‚Mühle‘ waren die Gesellschaftsspiele, die einmal in der Woche, meist samstags abends, mit der gesamten Familie am Esszimmertisch  gespielt wurden. Auch gab es noch ‚Gottes Segen bei Cohn’, dem eher bekannten ’17 und 4‘ ähnlich. Es gab Spielgeld und Puppen, sogar eine Käthe-Kruse-Puppe und eine Schildkröt-Puppe besaß die junge Eva, auch ein damals so genanntes ‚Negerpüppchen‘. Weihnachten verschwanden die Puppen regelmäßig, um dann unter dem Tannenbaum neu eingekleidet wieder zu erscheinen. 

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