in Essen am 17.10.2018
1911 war Baubeginn, und 1913 wurde die Alte Synagoge eingeweiht. Für die folgenden fünfundzwanzig Jahre war sie das kulturelle und soziale Zentrum der Jüdischen Gemeinde, die in den Dreißigerjahren rund 4500 Mitglieder zählte.
1938 wurde die Alte Synagoge während der Judenpogrome am 9./10. November im Inneren schwer beschädigt und hatte in den folgenden Jahren keine Funktion mehr.
Von 1945 bis 1959 stand die Alte Synagoge ungenutzt als Ruine am Rande der Innenstadt. Die in der Zeit des Nationalsozialismus stark dezimierte jüdische Gemeinde hatte nur noch zweihundert Mitglieder und nutzte das erhalten gebliebene Rabbinerhaus an der Alten Synagoge als Gebetshaus.
1959 entschloss sich die jüdische Gemeinde zu einem Neubau an der Sedanstraße in Essen nahe der Ruhrallee im Ostteil der Stadt. Auf dem ihr dort gehörenden Gelände hatten die Nazis die von der jüdischen Gemeinde im Jahre 1932 erbaute jüdische Jugendherberge am 9./10. November 1938 zerstört und später auch gänzlich beseitigen lassen; ein Modell der ehemaligen Jugendherberge, die im Ausdruck der modernen Zeit gebaut worden war, gehört zu den Ausstellungstücken in der Alten Synagoge. Größe und Modernität der ehemaligen Jugendherberge überzeugen auch noch heute.
1960 verkaufte die jüdische Gemeinde ihre Alte Synagoge an die Stadt Essen, um ihren geplanten Neubau finanzieren zu können. Und die Stadt Essen richtete in der von ihr erworbenen Alten Synagoge ein Museum für Industriedesign ein, nachdem sie zuvor den Thorarollenschrank, die Frauenempore und noch vorhandene synagogale Einrichtungselemente hatte beseitigen lassen und im Inneren einen völlig veränderten und mit Zwischenwänden ausgestatteten Raum schuf, der kaum noch an den ehemals bestehenden Innenraum der Alten Synagoge erinnerte.
1979 beschädigte ein durch Kurzschluss entstandener Brand die Designausstellung dann aber stark. Und im Zusammenhang mit der in den Jahren veränderten Einstellung im Umgang mit diesem Ort, beschloss der Essener Rat, die Alte Synagoge wiederum neu auszurichten.
1986 – 1988 wurde der ehemalige Synagogenraum im Ansatz wieder sichtbar gemacht: Der Thoraschrein und die Empore wurden aufgebaut, die Kuppel wurde durch eine Zwischendecke versteckt und die zwischenzeitlich gesetzten Zwischenwände wurden entfernt. Das heutige Innere der Alten Synagoge erhielt eine Farbgebung in Apricot und Flieder. Die umfangreichen, gut zwei Jahre währenden Bauarbeiten waren umfangreich und erfolgreich, wenngleich sich das heutige Innere nach wie vor nicht so darstellt, wie es sich ehedem einmal zeigte.
Heute ist die Alte Synagoge Museum, Gedenkstätte, Kulturzentrum und Erlebnisort. Zahlreiche Veranstaltungen werden im Laufe eines Jahres durchgeführt. Unterschiedliche Ausstellungsbereiche sind auf das Erdgeschoss und auf die Empore mit dem dazugehörigen Zwischengeschoss verteilt. Die Ausstellungsbereiche haben die Schwerpunkte Quellen der jüdischen Tradition, Geschichte des Hauses, Geschichte der jüdischen Gemeinde in Essen, Zu jüdischen Festen und Jüdischer Way of Life. Zwischen Vergangenheit und Gegenwart wird jeweils zwischen jüdischem Glauben und jüdischer Kultur ein Bogen gespannt und die Traditionen und Lebensweise des Judentums werden thematisiert. Man erhält sehr gute Informationen darüber, wie sich das jüdische Leben zum Ende des neunzehnten Jahrhunderts und in den ersten Jahrzehnten des zwanzigsten Jahrhunderts sowohl im kulturellen als auch im religiösen sowie auch im Berufs-, Schul- und Alltagsleben entwickelte. Zum Bestand gehören weiterhin Fotografien, zeitgenössische Briefe, Schulzeugnisse, Poesiealben, biografische Aufzeichnungen sowie Zeitungsausschnitte. Und: Man erfährt viel über das Schicksal der Juden in den Zeiten des Nationalsozialismus.
Die Größe des Hauptraumes im Erdgeschoss ist beachtlich und fasst bis zu 1500 Besucher. Der Lichteinfall durch die sechs großen Fenster bietet einen überraschenden Raumeffekt. Auf den Fenstern sind zentrale jüdische Feiertage vermerkt, die auf den Fenstern der Alten Synagoge vor ihrer Zerstörung in 1938 auch bildlich dargestellt waren: Rosch ha-Schana (Fest des Jahresbeginns, aus dem die Berechnung der Kalenderjahre resultiert), Sabbat, (der siebte Tag der Woche und ein wichtiger Feiertag der Juden), Pessach (Erinnerung an den Auszug aus Ägypten beziehungsweise an die Befreiung der Israeliten aus der Sklaverei), Schawuot (das jüdische Wochenfest, das 50 Tage, also sieben Wochen plus einen Tag nach dem Pessachfest gefeiert wird),
Der T h o r a s c h r a n k an der Vorderwand der Synagoge wurde anstelle des in den achtziger Jahren abgerissenen Thorarollenschrank zwar wieder eingebaut, hat aber nicht mehr die Bedeutung wie ehedem, da die Alte Synagoge heute ein Museum und kein jüdisches Gotteshaus mehr ist.
Die in einem Schrank aufbewahrte Thora (hebräisch, Gebot, Weisung, Belehrung) ist im Übrigen eine handgeschriebene Pergamentschriftrolle und die Hauptquelle jüdischen Rechts sowie der Wegweiser für Denken und Lebenswandel der Juden. Aus der Thora wird im Laufe des Jahres an allen Sabbat – und Feiertagen, an Montagen und Donnerstagen (ehemalige Markttage) gelesen, wobei der jüdische Kalender im Herbst beginnt, und zwar mit dem ersten Tag des siebten Monats Tischri, der, oben bereits erwähnt, auch Rosch ha-Schama („Haupt des Jahres“) genannt wird.
Da der jüdische Kalender im Jahre 3761 vor unserer Zeitrechnung beginnt – dem Jahr, in dem nach jüdischer Auffassung die Menschen erschaffen wurden – leben wir heute im Jahr 5779. Und neben einem Normaljahr mit 12 Mondmonaten (ordentlich 354 Tage lang) gibt es zur Angleichung an das Sonnenjahr Schaltjahre mit 13 Mondmonaten (ordentlich 384 Tage lang) .
Zu der wieder eingebauten O r g e l erläuterte Frau Rauhut, dass es bis Anfang des 19. Jahrhunderts überhaupt keine Orgeln in Synagogen gegeben hätte, denn grundsätzlich sei der jüdische Gottesdienst ein Wortgottesdienst, und Orgeln seien stets für christliche Kirchenmusik aufgestellt worden. So hätten denn auch in Synagogen eingebaute Orgeln zwischen orthodoxen und reformorientierten Gemeinden stets zu langen und heftigen Auseinandersetzungen geführt, die sich in der Öffentlichkeit niederschlugen. Wechselseitig habe man sich als „Örgler“ oder als „Nörgler“ bezeichnet.
Interessant ist das Multimedia-Projekt auf der Orgelempore.
In einem Treppenaufgang vom Erdgeschoss zur Empore werden Bilder jüdischer Prominenter gezeigt, u.a.: Hugo Egon Balder (Entertainer, „Tutti Frutti“), Sammy Davis jr. (Entertainer), Michael Degen (Schauspieler), Albert Einstein, Peter Falk (Schauspieler, „Columbo“), Ilja Richter (Entertainer), Hans Rosenthal (Entertainer) und viele andere mehr.
Interessant ist das Multimedia-Projekt auf der Orgelempore.
Im Zwischengeschoss wird man mit den Besonderheiten des jüdischen Lebens bekannt gemacht, und es wird klar, dass Religiosität nicht gleich Weltfremdheit bedeuten muss.
Und was es noch zu erwähnen gilt: Die komplizierten Speisevorschriften im Judentum, die wir bereits bei unserem Besuch in der jüdischen Gemeinde in Duisburg kennenlernten, wurden uns noch einmal nahegebracht. Und was koscher ist und was nicht, wurde an Beispielen erklärt: Es muss von Tieren mit Wirbelsäule kommen, die Paarhufer und Wiederkäuer sind und nach bestimmten Regeln geschlachtet werden.
Fotos, Briefe und Gegenstände zeigen das ehemals blühende jüdische Leben in Essen, das durch den Holocaust weitestgehend vernichtet wurde. Viele Gemeindemitglieder – 2500 an der Zahl, die namentlich nicht genannt werden – wurden während der NS-Zeit zunächst in das jüdische Ghetto in der polnischen Stadt Lodz und von dort dann in die Vernichtungslager wie Auschwitz oder Treblinka gebracht.
Nach dem Zweiten Weltkrieg zählte die jüdische Gemeinde in Essen 200 Mitglieder und schrumpfte in den Folgejahren auf nur 120 Mitglieder. Befürchtungen kamen auf, dass sich die jüdische Gemeinde „verflüchtigen“ könne. Im Zusammenhang mit dem Zerfall der Sowjetunion, der mit der Unabhängigkeit der sowjetischen Unionsrepubliken zwischen 1990 und 1991 seinen Abschluss fand, kamen aber zahlreiche Juden aus Russland nach Deutschland und auch die jüdische Gemeinde in Essen profitierte hiervon. Nach dem aktuellen Stand zählt die jüdische Gemeinde in Essen heute etwa 950 Mitglieder.
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