Schon 1933 inhaftierten die Nationalsozialisten willkürlich politische Gegner (Haftanstalten der Gestapo und der Orpo), Asoziale, Landfahrer, Homosexuelle (Haftanstalten der Justiz), Sinti und Roma (sog. Zigeuner, interniert in speziellen Lagern), rassisch minderwertige Juden, Zeugen Jehovas in Arbeits-, Arbeitserziehungs- und Umerziehungslagern. Die ersten Konzentrationslager hießen zunächst Schutzhaftlager. Derer gab es bis zum Ende des Krieges 24 nebst 1000 Außenlagern. Arbeitsscheue (=Asoziale) wurden seit 1938 systematisch durch Polizeidienststellen zur Zwangsarbeit in KZs verschleppt. Zeitgleich wurden reichsdeutsche Juden zum geschlossenen Arbeitseinsatz (Jüdische Arbeitsbataillone) gezwungen. Mit dem Überfall auf Polen 1939 begannen die Besatzer Wohnbezirke/Ghettos zu errichten, deren Einwohner ebenfalls zur Zwangsarbeit gezwungen wurden. Daneben dienten Polizeigefängnisse als Durchgang für weitere Zwangsarbeitslager, Zivilarbeitslager. Speziell für die Ostarbeiterinnen gab es Entbindungs- und Abtreibungslager. Im Laufe des Krieges kamen dann die Vernichtungslager hinzu; als Vorläufer dienten ausgewiesene Territorien als Exekutionsstätten, improvisierte Mordstätten, Gaswagen und Stätten für Massenerschießungen.
Zwangsarbeit während der Dauer des Dritten Reiches ist eine europaweite Erfahrung ohne Beispiel und gehört zu den tiefschwarzen Kapitel der NS-Zeit. Sie war von Anfang an in der rassistischen Gesellschafts-ordnung des NS-Staat verankert. Dieses vom Staat organisierte öffentliche Verbrechen wurde bereitwillig von der Volksgemeinschaft unterstützt. Zwangsarbeit wurde als Mittel der Aussonderung, der Erniedrigung und Entwürdigung eingesetzt und war Teil der Besatzungspolitik und der rassistischen Neuordnung Europas.
Nach den anfänglichen Anwerbeversuchen zu Friedenszeiten unter befreundeten Staaten ging man rasch (spätestens mit Kriegsbeginn) zur Dienstverpflichtung ganzer Jahrgänge über. Alle überfallenen Länder wurden als Arbeitskräftereservoir für Deutschland genutzt. Insgesamt mussten 20 Millionen ausländische Zivilarbeitskräfte, KZ-Häftlinge und Kriegsgefangene aus allen besetzten Ländern für Nazideutschland arbeiten. Nach dem Scheitern der Blitzkriege 1942, wo die Kriegswirtschaft auf den „totalen Krieg“ umstellte, bildeten ausländische Zwangsarbeiter mehr als ein Viertel der Arbeitskräfte, in manchen Betrieben bis zu 60%. Insgesamt gab es allein während des 2. Weltkrieges in Nazideutschland 13,5 Millionen ausländische Arbeitskräfte und Häftlinge in KZs und anderen Lagern: 8,4 Mio. ausländische Zivilarbeiter, 4,6 Mio. Kriegsgefangene (verrichteten Schwerstarbeit, z.B. in der Rüstungsindustrie) und 1,7 Mio. KZ-Häftlinge (Sklavenarbeit). In den besetzten Gebieten kommen Ghettoinsassen und Häftlinge spezieller Arbeitslager für Juden hinzu. Alle Lager unterlagen keinerlei rechtlichem Schutz. Allein in Berlin gab es 1000 Lager mit 400.000 Zwangsarbeitern. In Duisburg gab es 1944 insgesamt 25.000, in Mülheim/Oberhausen insgesamt 20.000 Zwangsarbeiter.
Sowjetbürger, Polen, Franzosen, Italiener, Belgier, Niederländer, Tschechen, Serben, Kroaten, Slowaken, Dänen, Balten, Ungarn und Sonstige
Großunternehmen (50% der Rüstungsindustrie) wie auch kleine Handwerksbetriebe, Kommunen und Behörden (z.B. Verkehrs- und Versorgungsbetriebe, Luftschutzdienst, Trümmer- und Leichenbeseitigung), christliche Großkirchen (Krankenhäuser, Friedhöfe), aber auch Bauern (46% der Arbeitskräfte) und private Haushalte (200.000 Ostarbeiterinnen) forderten immer mehr ausländische Arbeitskräfte an und waren so mitverantwortlich für das System der Zwangsarbeit. Fritz Sauckel, ab 1942 Generalbevollmächtigter für den Arbeitseinsatz in Deutschland, gab für die Akteure folgenden Slogan heraus: Wir werden die letzten Schlacken unserer Humanitätsduselei ablegen! – Dieser Slogan richtete sich insbesondere an die 500.000 Akteure, die an der Organisation der Zwangsarbeit direkt beteiligt waren, als da wären:
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