Erinnerungen an Weihnachten

Es ist lange her. Ich war vielleicht 5 oder 6 Jahre alt, und somit schweifen die Gedanken in das Jahr 1958.

Meine Eltern und ich lebten damals in einer Zwei-Zimmerwohnung, und von Wohlstand konnte noch keine Rede sein. Geschenke wurden mit Bedacht gekauft, und Spielsachen wurden gehütet und mit Vorsicht behandelt – es gab ja nicht allzu viel davon.

Der Traum aller Jungs in meinem Alter war eine elektrische Eisenbahn – natürlich von Märklin. Hinzu kam sicher auch, dass alle erwachsenen Männer den gleichen Traum hatten, nur halt nicht so offen damit umgingen und froh waren, wenn sich ihre Söhne zu Weihnachten eine Eisenbahn wünschten.

Aber da war ich anders. Ich fand Teddybären schon immer großartig und hatte in dem Alter schon eine ganze Sammlung von großen und kleine Bären, Mamabär, Papabär und auch die Kinderbären saßen in meinem Bett und ließen mir kaum Platz zum Schlafen. Wie konnte es also anders sein, als mir zu Weihnachten einen neuen Teddybären zu wünschen. Einen großen braunen, den ich beim Spaziergang in einem Geschäft gesehen hatte.

Der heilige Abend kam, die Spannung stiegt, in welchem Paket mag wohl der Bär verpackt sein? Die Enttäuschung wuchs, hatte ich doch ein, zwei kleinere Pakete geöffnet, ein kleines Spielzeugauto, ein Fallerhäuschen zum Selberzusammenbauen … was sollte ich damit anfangen!

Dann der große Augenblick – mein Vater und mein Patenonkel zogen hinter dem Kleiderschrank eine riesige Platte hervor, abgedeckt mit einem großen weißen Bettlaken, und – mit großem Trara wurde das Betttuch weggezogen, und eine Landschaft mit Bergen, Häusern und natürlich einer Eisenbahn kamen zum Vorschein. Die Vorfreude stand meinem Vater und meinem Patenonkel im Gesicht geschrieben – was wird „de Jung“ (Kölsch für: der Junge) dazu sagen?

Tränen flossen über mein Gesicht – war mir doch klar geworden, dass es keinen Teddybären gab, und eine elektrische Eisenbahn hatte ich mir wirklich nicht gewünscht. Noch heute sehe ich das enttäuschte Gesicht meines Vaters vor mir, damit hatte er sicher nicht gerechnet. Hatten er und mein Patenonkel doch in stundenlanger Arbeit in den letzten Wochen im Keller alles aufgebaut, Berge erstellt, Häuser gebastelt und Schienen verlegt. Alleine die Vorstellung, mir eine große Freude zu bereiten, muss die beiden in Hochstimmung versetzt haben.

Doch ich war untröstlich – und Heiligabend war, wie man sich vorstellen konnte, stimmungsmäßig auf dem Tiefpunkt. Am 1. Weihnachtstag kamen dann die Verwandten und auch mein Patenonkel, der auch mein Cousin war, zu Besuch. Unter dem Arm ein Paket, was er mir feierlich überreichte – vom Christkind, wie er mir sagte.

Was in dem Paket war, kann man sich sicher schon vorstellen – der Teddybär! Zum zweiten Mal an diesem Weihnachtsfest flossen die Tränen bei mir, dieses Mal vor Freude. Hatte das Christkind doch meinen Wunsch erhört. Ich zog mich gleich zurück und stellte den Bären der vorhanden Bärenfamilie vor und spielte den ganzen restlichen Tag mit meiner Bärensammlung.

Viel später erzählte mir mein Patenonkel, wie es dazu kam. Er hatte den Teddybären schon als Geschenk für mich gekauft. Mein Vater hatte jedoch beschlossen, damit das Kind nicht zu sehr mit Geschenken überflutet wurde, zunächst nur die Eisenbahn zu schenken und das Bärengeschenk auf den Geburtstag im Februar zu verschieben.

Die Geschichte wurde lange in unserer Familie erzählt, wie undankbar und grausam Kinder doch sein können. Doch alles mit einem Augenzwinkern, und ich denke, mein Vater hat mir meine Undankbarkeit auch verziehen.

PS: Der große, braune Teddybär steht bis heute bei mir auf dem Regal – weggeben wäre undenkbar!

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