Einmarsch der Amerikaner in Mülheim Ruhr

Dann kamen kurz darauf die Amerikaner nach Mülheim. Wir Kinder waren aufgeregt, weil die Eltern aufgeregt waren. – „Was passiert jetzt, wenn die jetzt kommen?“ – Und dann sind wir alle auf diesen Schlackenberg rauf, auf den grünen Weg, da wo heute die Metro steht. Es war ja herrlichstes Wetter! Und dann haben wir sie sternförmig auf Mülheim  zukommen sehen. Als sie näher die kamen, sind wir natürlich alle wieder runter, weil Panzer dabei waren. Das hat uns erschreckt, die vielen Soldaten, es waren ja Massen von Soldaten. Die kamen immer näher und wir sind dann alle rein nach Hause.

Die Ordner, oder wie sie sich damals nannten, sagten, wir müssen alle stille sein. Sie drückten uns weiße Fahnen oder Lappen in die Hand, weiße Fähnchen. Und dann kamen sie und wir waren drin, und es hörte sich scheußlich an. Das Geräusch von den vielen Motoren, den Panzern. Alle hatten Angst, auch die Erwachsenen, für manche war das ganz schlimm. Na ja, am Ende waren sie dann da und da. Bumm, bumm an der Tür, und dann machten wir auf, und sie standen dann da und wir saßen hinten drin.

Gespräche, die andere Sprache, und dann kamen die alle überall rein. Und da sah man zum ersten Mal im Leben einen schwarzen Mann.  Die andere Sprache und den schwarzen Mann: Den hatte ich auch mal in Verbindung gebracht mit Strafe, wenn dann der Schornsteinfeger kam oder der Ausruf, dann musst du in den Keller. Jedenfalls hatten sie einen Dolmetscher dabei, und der sagte, wir müssen alle raus. Sie gingen rückwärts mit ihren Gewehren, und wir mussten alle, alle raus. Der Wart ging dann noch gucken – ja, sind alle raus – und dann sind sie rein. Draußen standen sie auch noch alle um herum mit den Gewehren. Dann sind sie rein und haben geguckt, ob nicht doch noch irgend etwas war, haben die Deckel aufgemacht von den Kisten, wo wir nachts schliefen in der Turnhalle, und dann haben sie alles durchsucht, und dann kamen sie raus.

Endlich gab es Entwarnung. Dann kriegten wir alle etwas zu trinken, Wasser oder ich weiß nicht mehr was. Der Dolmetscher hat mit uns geredet und gesagt, wir könnten reingehen, und es wäre alles in Ordnung. Es würde eine Regelung getroffen, wann und wie wir wieder zurück in die Wohnungen könnten. Das wurde alles da besprochen, aber es würde noch dauern. Dann durfte man mal nach Hause gehen zu der Wohnung und gucken, wie das da aussah, und da waren auch welche vor Ort, Blockwarte glaube ich, die schrieben dann etwas auf, wie die Wohnung war. Gott sei Dank, unser Haus war stehen geblieben, die Wohnung war halt kaputt, ohne Scheiben und so. Die Ritzen an der Seite – habe ich damals von erzählt, wo die Nachbarn mit dem Ohr durch die Ritze bei uns immer die Nachrichten aus dem Radio mithörten. Es wurde alles aufgenommen, es wurde gemacht, und wie lange das gedauert hat, weiß ich nicht, aber wir konnten dann in unsere Wohnung zurück.

Die Amerikaner hatten dann gegenüber der Schildbergschule ihr Quartier aufgeschlagen; das Gebäude reichte natürlich nicht aus für alles, deswegen haben sie noch zusätzlich im Hof viele Zelte aufgebaut, wo sie dann geschlafen haben. Die ersten paar Tage waren schon ein bisschen komisch. Aber wie Kinder natürlich sind, sind wir immer neugierig da herumgelaufen, und die machten auch Musik usw. Dann kam, nach 14 Tagen, 3 Wochen ungefähr, nachdem wir in der Wohnung waren, kam ein Marketenderwagen. Da sind wir natürlich auch neugierig gucken gegangen, weil der ganz Wagen voller Frauen war, die haben so Sachen drin gehabt, Kämme z. B., die hatten tolle Sachen, und wir kamen immer näher und näher. Die Soldaten, muss ich sagen, waren sehr freundlich zu uns, wir verstanden uns ja nicht, aber nett gewinkt und gelacht haben wir. Und dann haben sie uns Bonbons geschenkt, überwiegend Kaugummi oder irgendwelche Süßigkeiten. Manchmal haben sie gesagt, wir sollen ein Kinderlied singen, manchmal kamen sie auch näher ran, haben Fotos rausgeholt von ihren Familien, uns ihre Kindern gezeigt, und manchmal durfte man sogar auf den Schoß, so an der Seite. Sie wollten dann auch schon mal was wissen, fragten uns nach Mama und Papa usw. Es waren ja auch ältere Kinder dabei, und die älteren Kindern kriegten dann auch schon mal Zigaretten für ihre Papas. Da im Umfeld, da sprangen die Älteren auch hin, wenn sie die Kippen wegschnippten, die haben sie dann aufgesammelt. Ja, das war so.

Frau Storks war beim Einmarsch der Amerikaner 6 Jahre alt.

Lesen Sie hier auf Seite 10 einen Artikel vom Januar 2015 in der Seniorenzeitschrift Alt?  na und! wie Mülheim vor 70 Jahren aussah: http://www.alt-na-und.de/pdf/alt-na-und_96.pdf

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